Ich reise, also bin ich … Backpacker, Reisender, Tourist?
Dieser Artikel ist im Rahmen von Florians Blogparade „Deine Reise ist nicht meine Reise“ auf Flocutus entstanden. Spannendes Thema, bei dem ich sofort anfangen musste zu schreiben …
Ich liebe das Reisen und das unterwegs sein.
Darin gehe ich völlig auf und ich habe immer das Gefühl, dass ich dann der Mensch sein kann, der ich wirklich bin. Auch wenn sich das komisch anhört.
Ich bin Backpacker. Das bedeutet, ich packe erst am Abend vor der Abreise Bikini, Shirts & Shorts in den Rucksack und ziehe los. Nur das Nötigste, kein überflüssiges Gepäck – Minimalismus ist ein toller Trend. Meine Reise ist nur grob geplant, feste Ziele und Unterkünfte gibt es nicht.
Ich war nicht immer so, und bis vor ein paar Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich mal nur mit Handgepäck, und so wenig dabei, ferne Länder bereisen würde, die ich vorher nicht mal ansatzweise auf dem Schirm gehabt habe.
Als Kind habe ich eher „Kofferurlaub“ mit der Familie gemacht – zwar nicht pauschal sondern so richtig cool mit eigenem Mietwagen, Rundreise, verschiedene Unterkünfte, Roadtrip eben.
Und es ging auch damals schon immer in die Ferne – die USA. Meine Mutter ist absoluter USA Fan, da mussten wir dann alle mitziehen. Und es hat mir nicht geschadet, schließlich konnte ich als einziges 10jähriges Kind nach den Sommerferien in der Schule erzählen, dass ich in Disney World war! Hallo????
So bin ich in dem Glauben aufgewachsen zu einem Urlaub gehört auch immer ein Koffer. Ein Koffer, der vollgepackt ist für alle Eventualitäten. Am besten jeder nimmt direkt zwei Koffer mit. Schließlich ist man ja ziemlich lange weg – ganze drei Wochen!
Nach schlimmer Pubertät, Jugend- und Entdeckungsjahren verbrachte ich meine freien Tage meistens bei Städteurlauben oder bei Partyreisen am Mittelmeer.
Mit Anfang 20 machte ich die Erfahrung, dass Pauschalreisen absolut nichts für mich sind.
Es war in Italien, Rimini, um genau zu sein, und allein schon der Klang des Ortes war für mich pauschal.
Ich verstand einfach nicht, was daran ein Vorteil sein sollte, wenn es feste, pünktliche Essenszeiten gab, Angestellte des Hotels den privaten Abschnitt am Strand fegten und kämmten (!!!!), man überhaupt kein einziges Wort italienisch hörte (da ja eh alle im Hotel nur deutsch sprachen) und man das Hotelgelände auch sonst nicht verließ.
Ich fand das alles einfach nur bescheuert, denn es hatte für mich nichts, aber auch gar nichts, mit Entspannung, Freiheit und Abenteuer zu tun – die drei Kriterien die für mich eine Reise ausmachen – auch schon damals, als ich weit entfernt davon war, mit dem Rucksack herumzureisen.
Jahre später blickte ich auf diese ganzen Pauschaltouristen verächtlich hinab. Sie gingen mir einfach auf die Nerven und verstanden meiner Meinung nach nichts von der Welt, vom Reisen oder von Freiheit. Sie waren nur Subjekte die für billiges Geld den größten Luxus auf Erden erwarteten.
Vor allem die deutschen Pauschalurlauber. Das waren für mich die Allerschlimmsten.
In Khao Lak, Thailand, traf ich bei einer Bootstour zu den Similan Islands „so einen“.
Ich erkannte sofort, dass der Typ pauschal reist, denn er war krebsrot am ganzen Körper – von der Sonne. Warum auch immer, glauben diese Typen, dass sie immun gegen Sonnenbrand sind.
Außerdem trug er Sandalen, also diese Trekking-Teile, bei denen ich mich schon immer gefragt habe, welchen Zweck diese häßlichsten Schuhe der Welt denn wohl erfüllen sollen? Dazu dann noch ein „I love Thailand“ Shirt (das „love“ war natürlich ein Herz) welches sich über seine Wohlstandswampe spannte.
Leider merkte er während der Fahrt, dass ich auch Deutsche bin, und quatschte mich direkt zu. Wie teuer (!) hier in Thailand doch alles sei … er hätte sich das alles viiiiel billiger vorgestellt, und das Essen in seinem Hotel sei ja auch nicht so … und wieviel ich denn für den Bootstrip gezahlt habe, er musste bestimmt viiiiel mehr zahlen und die Thais hätten ihn mal wieder abgezockt (ich hoffe doch …) … und die Pediküre von gestern Abend hätte für die drei Euro fuffzig auch wirklich besser sein können … und es ist viiiiiel zu heiß … und die Thailänder könnten ruhig freundlicher sein bla bla bla …
Der Mann kotzte sich vollständig bei mir in Lichtgeschwindigkeit aus, bis ich es schaffte, mich auf der nächsten Insel, die wir angesteuert hatten, zu verziehen, damit ich mir das nicht mehr anhören musste.
Was war nur los mit diesem Mann? Sah er nicht, dass er im Paradies ist? Traumhafter Sandstrand, türkises Wasser, barfuß laufen den ganzen Tag, köstliches Thai-Food!
Ich verstand das nicht.
Und solche Geschichten habe ich viele erlebt. Von Pauschalreisenden die in den Urlaub fahren, um zu meckern.
Da war für mich klar, mit diesen Typen will ich nichts zu tun haben. So bin ich einfach nicht. Niemals!
(Anmerkung: Später am Abend hatte ich den Typen aus der Ferne wieder gesehen. Er wollte die Hauptstraße überqueren, (Thailand = Linksverkehr), und wäre fast überfahren worden. Ich muss gestehen – ich hatte mich ein wenig darüber gefreut.)
Diese Erlebnisse festigten mich darin, dass ich von Herzen ein Backpacker bin.
Nur ich, der Rucksack, ohne festes Ziel herumreisen. Wunderbar!
Schon bald merkte ich aber, dass auch bei den Backpackern nicht alles nach Freiheit und Abenteuer „roch“.
Da gibt es zum Beispiel die (zu denen ich mich manchmal auch ein bißchen zähle), die einfach alles besser wissen, wenn es um den perfekt gepackten Rucksack geht. Sie wissen genau, was rein muss, welches Equipment, sie können das Gewicht abschätzen (kann ich auch, bis auf ein paar Gramm genau sogar … es ist mir peinlich), sind mega organisiert. Ätzend.
Oder die, die nur so tun, als wären sie Backpacker, in Wirklichkeit aber gar keinen Bock haben in einer Holzhütte ohne Strom und Klobrille am Strand zu pennen und dann in Luxushochburgen nächtigen. Zu Hause dann aber bei jedem rumerzählen, sie hätte das große Abenteuer erlebt. Die mag ich noch weniger.
Oder diese supernervigen „Ich-bin-gerade-20-geworden-und-mache-jetzt-ein-Jahr-Orientierung“ Backpacker-Kids. Die Orientierung beinhaltet dann Flatrate Eimersaufen und Flatrate Scheisselabern. Und alles ist cool, awsome oder geil. Wirklich alles …
Da begriff ich: Manche „Backpacker“ verreisen zwar nicht um zu meckern, aber vor allem um für andere etwas Besonderes darzustellen.
Hier geht es nicht um das freie, spontane Reisen, sondern darum, Bewunderung von anderen einzuheimsen und zu zeigen wie individuell und verrückt man doch ist.
War das jetzt besser?
Ich gebe zu, diese ganzen Erkenntnisse über die unterschiedlichsten Reise-Charaktere verwirren mich. Bringen mich selbst in Zweifel.
Was bin ich für ein Typ?
Bin ich nicht manchmal auch ein Pauschaltourist ohne es zu merken, da ich mich natürlich auch schon mal unterwegs typisch deutsch (der Kaffee schmeckt nicht …) aufführe oder über etwas meckere?
Was ich damit sagen will: Wir alle tragen immer ein Stückchen von allem in uns. Eine Sache total auszuschließen wäre praktisch Selbstverleumdung.
So lange jemand glücklich ist, sich frei entfalten kann und sich als Mensch weiter entwickelt kann er von mir aus der sein, der er will: Backpacker, Flashpacker, Pauschaltourist, Kreuzfahrtjunkie, Luxusurlauber oder freigeistiger Weltreisender.
Die Art wie Du reist, sagt bestimmt etwas über Dich als Menschen aus, sollte aber nicht zu einem Meer aus Vorurteilen gegen Dich oder andere werden.
Die Essenz des Reisens ist das einzig Wichtige – und die ist:
Du selbst werden.
Ist auf jeden fall nicht böse gemeint gewesen. War sicherlich eher ein Anknüpfungspunkt zu Florians Kommentar 😉
LG Daniel
Nee, hab ich mir schon gedacht. 😉
LG!
Hey Jennifer, mir fällt da leider nicht viel ein. Aber ein Zitat, was ich letztens aufgeschnappt habe erscheint mir doch enorm passend: „Keiner mag Besserwisser! Fast keiner!“
Die Idee von Florian finde ich wirklich klasse. Jeden Tag lese ich mir seitdem andere Blogs uns Meinungen durch. Enorm interessant. Meine Meinung habe ich ebenfalls verschriftlicht, wenn du das lesen magst: http://www.madiba.de/blog/blogparade-reise-typen-deine-reise-ist-nicht-meine-reise/ Freue mich über deine Meinung.
LG Daniel
Hi Daniel,
haha, am „Besserwissen“ werde ich arbeiten. 😉
Werde mir Deinen Artikel mal in Ruhe durchlesen.
VG, Jennifer
Hi Jennifer,
ich bin manchmal auch einer von den besserwissenden Backpackern, kann mir leider auch nicht helfen 😉
Schöner Text und danke für’s Mitmachen!
Hi Florian,
gut zu wissen, dass ich nicht alleine bin. 😉 Vielen Dank!